Tempo 120

Kommentar: Die Kirche im Dorf lassen

Ist es Pfeifen im Wald, um sich Mut zu machen angesichts der CDU, die seiner Gemeinnützigkeit auf die Pelle rücken will? Oder ist es vielmehr ein Paukenschlag nach AfD-Manier, wohl wissend, dass er mit seiner Forderung nach Geschwindigkeitsbegrenzungen die Aufmerksamkeit der Deutschen auf sich fokussiert? Vielleicht beides. Denn Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kann kaum so dämlich sein, dass er nicht selbst weiß, was Tempo 120 auf Autobahnen und Tempo 80 auf Landstraßen für den Klimaschutz bringt: so gut wie nichts. Das gleicht nämlich dem Versuch, das Salzwasser der Nordsee mit einem Sack Zucker trinkbar zu machen.

Ein Blick auf ein paar Zahlen genügt, dann wird das klar. Personenwagen sind für nur 13 Prozent des gesamten Kohlendioxid-Aufkommens in Deutschland verantwortlich. Das sagt nicht die sogenannte Autolobby, sondern das Umweltbundesamt. Das Autobahnnetz hier zu Lande umfasst etwa 13 000 Kilometer. Davon gilt auf ungefähr einem Drittel eine dauerhafte Geschwindigkeitsbegrenzung. Für die übrigen 8700 Kilometer gibt es die empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130 km/h - theoretisch.

Doch Baustellen und/oder dichter Verkehr machen die einstige ADAC-Forderung ,,Freie Fahrt für freie Bürger" zu Recht zur lächerlichen Floskel aus dem vergangenen Jahrhundert. Besonders Pendler können davon ein Lied singen. Und wenn mal zufällig freie Bahn herrscht? Dann bewegen sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts fast zwei Drittel aller Autobahnbenutzer in der Gegend der empfohlenen Richtgeschwindigkeit. Ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen würde dort die Kohlendioxid-Emissionen der Pkw um neun Prozent nach unten drücken, geht aus einer uralten Berechnung des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 1996 hervor. Neuere Untersuchungen gibt es nicht, obwohl seither die Autos erheblich zurückhaltender beim Treibstoffverbrauch in diesem Geschwindigkeitsbereich und damit im Abgasverhalten geworden sind.

Für den kompletten CO2-Ausstoß in Deutschland wäre also mit Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen und Landstraßen à la Resch ein Rückgang im Promillebereich zu verzeichnen.
Und dafür der ganze Aufruhr durch die Umwelthilfe? Nein. Denn Jürgen Resch geht es um etwas ganz Anderes. Er beabsichtigt, das Mobilitätsverhalten der Bundesbürger auf DDR-Niveau runterzuschrauben, die Automobilindustrie madig zu machen, nur winzige Elektroautos zu tolerieren und den Verbrennungsmotor - gleich ob Diesel oder Benziner, ob besser entgiftet oder mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden - zu verbieten.

Fachleute wie zum Beispiel der Aachener Universitätsprofessor Günther Schuh, Erfinder des Streetscooters für die Post und selbst Produzent des Elektroautos e.Go, hält das für einen Holzweg. Die neuen CO2-Verordnungen der EU hält er für ,,nicht mit Bedacht gewählt" und sagte jetzt als E-Autoproduzent in einem Interview mit dem WDR: ,,Wir kommen an einem physikalischen Phänomen nicht vorbei. Benzin und Diesel besitzen eine Energiedichte, die in Feststoffbatterien heute, morgen und auch übermorgen nicht erreichbar ist. Der Elektroantrieb ist die ideale Lösung für die Stadt. Aber pauschal den Verbrenner zu verdammen, halte ich für übertrieben, und die Entscheidung, die jetzt getroffen wurde, ist übertrieben."

Zum Diesel selbst, dem laut DUH giftspeienden Teufelsapparat persönlich, sagt der Professor: ,,Der Dieselmotor ist ein zukunftsfähiges Aggregat in dem noch viel Verbesserungspotenzial steckt." Und was wird aus Ländern wie Norwegen, die schon 2025 den Verbrennungsmotor verbieten wollen? ,,Die werden die Pferdezucht wieder ankurbeln müssen", meint Schuh sarkastisch. ,,Wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht Dinge verbieten, für die wir noch keinen vollständigen, adäquaten Ersatz haben. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen, und das ist mit dieser EU-Entscheidung nicht der Fall." (ampnet/hrr)

Der Artikel "Kommentar: Die Kirche im Dorf lassen" wurde in der Rubrik VERKEHR mit dem Keywords "DUH, Tempo 120, Tempo 80 auf Landstraßen" von "Hans-Robert Richarz/ampnet" am 20. Dezember 2018 veröffentlicht.

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