Fahrbericht

Klassischer Kombi nach Schweden-Art

Volvo und Kombi - das ist eine untrennbare Beziehung. Mit dem neuen V60 bringen die Schweden den kleinen Bruder des langen V90 auf die Straße, der fast genauso viel Platz bietet. Eine Probefahrt mit dem Motor-Informations-Dienst (mid).


Ja, es gibt sie noch, die treuen Kombi-Fans. Allerdings werden sie auch bei Volvo, schon seit den 1950er Jahren Anbieter der praktischen Familien-Autos, weniger. Mancher Kunde der Schweden klettert mittlerweile lieber in ein SUV wie den XC60. Doch gerade Langstrecken-Fahrer schätzen die Vorzüge des "Kombinations-Kraftwagens" gegenüber den wuchtigen Offroadern nach wie vor: der geringere Verbrauch und das handlichere Fahrverhalten. Ihnen macht die schwedische Tochter des chinesischen Geely-Konzerns mit dem V60 nun ein neues Angebot.

Der 4,76 Meter lange Wagen basiert noch auf der gleichen, Volvo-eigenen Plattform wie der große V90 (und noch nicht auf gemeinsamer Geely-Volvo-Technik wie das Kompakt-SUV XC40). Auf den ersten Blick gleicht der neue dem bekannten Schweden wie ein Zwilling. Erst wenn beide direkt nebeneinander parken, fallen die "kleineren" Abmessungen, die etwas straffere Seitenflanke und die veränderte Dachlinie am Heck auf. Letztere ermöglicht, dass der Gepäckraum nur unwesentlich kleiner ausfällt als beim V90. Der steckt mehr weg als manches SUV.

Die 18 Zentimeter geringere Außenlänge macht sich im Innenraum also kaum bemerkbar, dafür aber die um drei Zentimeter geringere Breite: Zu dritt kann man zwar, möchte man aber nicht unbedingt hinten sitzen - auch wegen des wuchtigen Kardantunnels in der Mitte. Ist der V90 ein Auto für die fünfköpfige Familie, empfiehlt sich der neue V60 eher für vier - sprich zwei Kindersitze.

Sonst entspricht das Interieur dem bekannten hohen Standard: Optional gibt's Leder und Edelholz mit rauer, natürlich wirkender Oberfläche. Das virtuelle Cockpit ist klar ablesbar und verwirrt nicht mit zu viel Spielereien, daneben informieren der übliche, etwas Eingewöhnung erfordernde Touchscreen über Navi-Anweisungen oder das Entertainment-Programm. Apple Car Play und Android Auto ermöglichen die Einbindung von Smartphones, allerdings verkabelt: Eine Datenübertragung per Wifi gibt's (bislang) ebensowenig wie eine Ladeschale nach Qi-Standard.

Insgesamt strahlt das Interieur die typisch skandinavische Wohnlichkeit aus. Das Fahrverhalten passt dazu: Komfortabel rollt der front- oder allradgetriebene Kombi ab, lässt bei Bedarf aber schärfere Gangart zu, auch wenn diese von den meisten Kunden wohl kaum gefordert wird. Stets bleibt es leise im Innenraum, auch wenn der große, sehr laufruhige und gut gekapselte Diesel mit 190 PS den Wagen antreibt. Er erfüllt die strenge Abgasnorm nach Euro 6d-Temp, sollte auch künftig vor Fahrverboten sicher sein.

Beim Verbrauch gibt Volvo leider noch den veralteten, unrealistischen Wert nach NEFZ an - zwar haben die Schweden nach der neuen WLTP-Norm gemessen, das Ergebnis aber wieder herunter- und somit schöngerechnet. Zählt man also zur offiziellen Verbrauchsangabe etwa 15 Prozent hinzu, erhält man einen ungefähren Eindruck von der Wirklichkeit. Beim kleinen Diesel mit 150 PS wären das etwas mehr als fünf Liter je 100 Kilometer, beim großen 5,5 - was auch etwa dem während der Testfahrt gemessenen Wert entspricht.

Der Benziner genehmigt sich im echten Alltagsverkehr etwa 8,5 Liter. Das ist für seine Leistung von 310 PS annehmbar. Allerdings wirkt der kräftige Vierzylinder etwas überambitioniert, die Version mit Selbstzünder insgesamt harmonischer. Die vollmundig angekündigte Elektrifizierung aller Modelle folgt im V60 erst später in Form von zwei leistungsstarken Hybrid-Varianten.

Ganz vorne fahren die Schweden dagegen bei der Sicherheit - für die Insassen, aber auch für Fußgänger. Droht ein Unfall, bremst der V60 nicht nur selbstständig, sondern weicht sogar aus - sofern seitlich Platz ist. Das Thema Assistenz-Systeme geht Volvo eher defensiv an und steigt nicht ins Rennen ein, wie lange der Fahrer bei welchem Tempo die Hände vom Lenkrad nehmen kann. Zwar hält der Wagen die Spur, mahnt nach dem Loslassen aber schnell dazu, die Kontrolle zu übernehmen.

Autonomes Fahren will die Marke erst anbieten, wenn es technisch ausgereift ist und es auch die Gesetze erlauben, sich während der Fahrt anderen Dingen zu widmen (Autopiloten nach Level 3 oder 4). Bis dahin muss der Fahrer seinen Volvo eigenhändig steuern. Was aber kein Problem darstellt - gehört das doch zu den angenehmeren Möglichkeiten, sich fortzubewegen.

Marcus Efler / mid

Technische Daten

Volvo V60 D4
Fünftüriger Kombi, Länge 4.761/Breite mit Spiegeln 2.040/ohne 1.850/Höhe 1.427; Radstand 2.872 mm; Wendekreis 11,4 m; Gewicht 1.823 kg, Zuladung 417 kg, Anhängelast 2,0 Tonnen; Sitzkapazität: 5; Kofferraum: 529 - 1.441 l

Motor: 4 Zylinder Turbodiesel; Hubraum 1.969 ccm; Leistung: 140 kW/190 PS bei 4.250/min; Drehmoment 400 Nm bei 1.750 - 2.500/min; Höchstgeschwindigkeit: 220 km/h; Beschleunigung: 0 - 100 km/h 7,9 Sekunden; Front-Antrieb; 6-Gang Schaltgetriebe oder 8-Gang-Automatik; Verbrauch 4,6 l/100 km; CO2:122g/km; Euro 6d-Temp; ab 43 300 Euro (V60 D3 ab 40 100 Euro).

Der Artikel "Klassischer Kombi nach Schweden-Art" wurde in der Rubrik NFZ & FUHRPARK mit dem Keywords "Fahrbericht, Kombi" von "Marcus Efler" am 30. Mai 2018 veröffentlicht.

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