Kindersicherheit im Auto: Starke globale Unterschiede

Wenn Prof. Dr. Klaus Langwieder zur jährlichen Sicherheitskonferenz in München ruft, dann kommen die Experten aus aller Welt. Dieses Treffen wird nicht von lautstarken Protest-Demonstrationen und starker Polizei-Präsenz begleitet, auch die Innenstadt muss nicht großräumig abgeriegelt werden. Denn es geht um Kindersicherheit im Straßenverkehr.


Wenn Prof. Dr. Klaus Langwieder zur jährlichen Sicherheitskonferenz in München ruft, dann kommen die Experten aus aller Welt. Dieses Treffen wird nicht von lautstarken Protest-Demonstrationen und starker Polizei-Präsenz begleitet, auch die Innenstadt muss nicht großräumig abgeriegelt werden. Denn es geht um Kindersicherheit im Straßenverkehr.

Und das ist dem international anerkannten Unfallforscher Langwieder schon lange ein Herzensthema, für das er sich mit großem Engagement einsetzt: Bereits zum 16. Mal diskutierten in seinem Forum, das jeweils zum Jahresende beim TÜV Süd veranstaltet wird, Unfallforscher, Tester von Kindersicherungseinrichtungen, Kindersitzhersteller und Behördenvertreter, wie die Sicherheit für die "Kids" weiter vorangetrieben werden kann.

Beim Blick auf die Unfallzahlen, die global erhoben werden, wird sehr schnell klar, dass es je nach Region ein Gefälle in Sachen Kindersicherheit gibt. In den Ländern mit höherem Einkommen oder einer stringenten Gesetzgebung zum Sichern von Kindern in Fahrzeugen sind die jungen Beifahrer deutlich weniger gefährdet als im übrigen Teil der Welt. Die FIA (Féderation de l'Automobile) hat ausgerechnet, dass weltweit jedes Jahr fast 200.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bei Verkehrsunfällen ums Leben kommen - als Fußgänger, auf Fahrrädern und Motorrädern sowie als Mitfahrer im Auto. Mehr als ein Drittel dieser Kinder saßen zum Zeitpunkt des Unfalls in einem Fahrzeug und hätten dessen Schutzpotenzial ausnutzen können. Sehr viele Kinder könnten noch leben, wenn sie vernünftig gesichert gewesen wären.

Auch wenn zum Beispiel Europa in dieser Statistik mit leidvollem Inhalt eine gute Figur macht, wäre es fatal, die Hände in den Schoß zu legen. Sicher: Auch in Deutschland sind die Zahlen der im Straßenverkehr verletzten und getöteten Kinder in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Allerdings zeigen Unfallanalysen, dass meistens dann, wenn Opfer zu beklagen sind, Nachlässigkeit oder Fehlbedienung ein wesentlicher Faktor sind.

Langwieder: "Die Aufklärung muss permanent weitergehen. Schließlich wachsen immer wieder neue Generationen von Eltern heran, die in Sachen Kindersicherheit sensibel gemacht und angeleitet werden müssen." Da sich Verbraucher in ihren Gewohnheiten, wie sie sich informieren, ebenfalls stark verändern, sind auch in diesem Punkt neue Wege gefragt. Die gedruckte und bebilderte Bedienanleitung reicht nicht mehr aus. Für die "Generation Smartphone" müssen Filme im Netz abrufbar sein, in denen anschaulich gezeigt wird, wie Kinder im Auto gesichert werden können und welche Fehler unbedingt vermieden werden müssen.

Ein ständiges Thema bei den Kindersicherheits-Konferenzen sind die Testmethoden, mit denen die Schutzwirkung der Systeme erprobt wird - von der Babyschale über den Kindersitz bis hin zu den Sitzerhöhern für die größeren Kinder. Das Problem: Unfälle lassen sich nicht normen, sie sind individuelle Ereignisse. Insofern würde es wenig Sinn haben, wenn sich die Tester auf wenige Unfallkonstellationen im Labor beschränken.

Längst wird die Schutzwirkung nicht nur beim simulierten Frontalcrash ermittelt, sondern auch beim seitlichen Anprall. Im Fokus der Tester und Kindersitzhersteller steht zum Beispiel speziell das Zusammenspiel zwischen Kindersitz und Seiten-Airbags. Eine Forderung der Experten lautet demnach sinngemäß, sowohl die Versuchskonstellationen als auch die gesetzlichen Richtlinien mit dem realen Unfallgeschehen immer wieder abzugleichen, um die Produkte so ständig zu verbessern.

Beim Unterthema Komfort wird deutlich, wie vielschichtig Kindersicherheit sein kann. Es geht nicht nur um den Komfort für das Kind, sondern auch für die Erwachsenen. Ein Kinderschutzsystem, das nur schwer zu handhaben ist, entfernt sich vom Komfort genauso weit, wie ein harter Sitz, in dem das Kind unbarmherzig gefesselt ist. Auch das: Fühlt sich das gesicherte Kind wohl, neigt es weniger dazu, die Person am Lenkrad abzulenken. Denn ein abgelenkter Fahrer wird eher in einen Unfall verwickelt als ein entspannter.

In Richtung Komfort zielt auch eine andere Gefahr, die Prof. Langwieder als große Herausforderung für die nähere Zukunft sieht: "Wir müssen für die veränderte Situation der Mobilität beispielsweise mit Carsharing und autonomem Fahren Lösungen erarbeiten." Wer schleppt schon ständig einen schweren und sperrigen Kindesitz mit sich rum, wenn er sich nur ab und zu ein Kurzstreckenauto mietet? Und lassen die künftigen Innenraumformen selbstfahrender Autos noch zu, dass Kinder gemäß ihrem Alter sicher unterwegs sind? Und auch darüber sind sich die Experten für die Kindersicherheit einig: Wenn sich in Ländern mit geringerem Einkommen und laxer Gesetzeslage schnell etwas ändern soll, sind Aufklärung der Eltern und gute, aber dennoch preiswerte Kindersitze ein Muss. Darauf wird Langwieder auch künftig sein Auge werfen.

Klaus Brieter / mid

Der Artikel "Kindersicherheit im Auto: Starke globale Unterschiede" wurde in der Rubrik NEWS mit dem Keywords "Auto, Verkehrssicherheit, Unfall, Kinder, Kindersitze, Crash-Test" von "Klaus Brieter" am 8. Januar 2019 veröffentlicht.

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