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Dieselgate: Neue Strategien für Handwerker und Transport-Profis

Nicht nur die deutschen Fahrzeughersteller haben ihre Abgaswerte geschönt. Aber jetzt, wo Feinstaub-Alarme und Fahrverbote in den großen Städten drohen, ist guter Rat teuer. Wer mit seinem Transporter in die Stadt will, sollte sich darauf vorbereiten.


Nicht nur die deutschen Fahrzeughersteller haben ihre Abgaswerte geschönt. Aber jetzt, wo Feinstaub-Alarme und Fahrverbote in den großen Städten drohen, ist guter Rat teuer. Wer mit seinem Transporter in die Stadt will, sollte sich darauf vorbereiten.

"Das gab's immer mal", sagen die Gelassenen und erinnern gleich an die Plaketten-Aktion in der Windschutzscheibe. Heute dürfen nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in die Innenstadt - und morgen nur noch mit einer blauen? Um die wird noch gerungen, dazu braucht es auch erst eine handlungsfähige Bundesregierung. Als Zugeständnis bei umweltpolitischen Forderungen könnte es vielleicht doch zu einer Zufahrtbeschränkung innerstädtischer Zonen kommen. Brauchen etliche Firmen also schon bald einen neuen Transporter?

Vielleicht schon einen mit Elektroantrieb, der würde sich auch in der Außenwirkung gut machen. Wie wäre es mit einem neuen VW? Die Hannoveraner haben gerade den neuen E-Crafter vorgestellt. Einen 100 kW/136 PS starken Hecktriebler, eine Batterie mit knapp 36 Kilowattstunden (kWh) Kapazität unter dem leicht erhöhten Ladeboden, die voll geladen für rund 100 Kilometer Reichweite sorgt. Dem 3,5-Tonner wird aufgrund der Sonderregelung für E-Fahrzeuge ein Gesamtgewicht von 4,25 Tonnen zugestanden, auch Fahrer mit Pkw-Führerschein Klasse B dürfen ihn pilotieren.

Über viel Erfahrung mit elektrischen Transportern verfügt der Hersteller Streetscooter. Die Tochter der deutschen Post betätigt sich seit Jahren als Fahrzeughersteller, bislang nur als Selbstversorger. Mit der Aufstockung der Fertigungskapazitäten könnte sich das rasch ändern. Es gibt jetzt auch ein größeres Modell, entwickelt in Zusammenarbeit mit Ford - ebenfalls mit 4,25 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht (Führerschein B-tauglich), zwar bislang nur mit Kofferaufbau, aber dabei muss es nicht bleiben. Sein Aktionsradius könnte Handwerkern schon reichen - bis zu 200 Kilometer schafft er mit einer Ladung.

Und wenn es ein richtiger Lkw sein soll? Da könnte es vielleicht ein Fuso Canter werden, die Daimler-Tochter meldet gerade den Start der Serienproduktion des "eCanter". Noch sprechen die Schwaben von einer Kleinserie, erst 2019 geht es richtig los. Der 7,5-Tonner ist mit einem Permanentmagnet-Motor bestückt, der 156 PS und überschaubare 285 Newtonmeter Drehmoment ans Eingang-Getriebe liefert. Die sechs Hochvoltbatterien (420 Volt) sind für insgesamt 82,8 kWh gut. Damit soll der Laster garantiert bis zu 100 Kilometer weit kommen. Die neuen Energiespeicher stammen übrigens aus dem Produktionswerk der Daimler-Tochter Accumotive, die nordöstlich von Dresden in Kamenz fertigt.

Auch bei Iveco gäbe es einen batterieelektrischen Daily, einerseits sündhaft teuer, zudem bedient er diese Gewichtsklasse nicht. Aber wie wäre es mit einem Erdgasantrieb, der schon per se ein deutlich günstigeres Abgasverhalten an den Tag legt? Der italienische Nutzfahrzeughersteller beispielsweise setzt alternativ zum Diesel konsequent auf CNG-Motoren (= Compressed Natural Gas) und wirbt mit dem Slogan "Natural Power". Im Daily-Sortiment führt Iveco einen Dreiliter-Vierzylinder, der mit 136 PS und 350 Newtonmeter Drehmoment auch kleine Lastwagen antreibt. Kein Problem mit den berüchtigten Stickoxiden, keine Einschränkung aufgrund eines Feinstaubanfalls. Der Halter braucht nur eine Gastankstelle in der Nähe, die komprimiertes Erdgas vertreibt.

Man könnte sich natürlich auch für einen Diesel-Transporter neuester Machart entscheiden, nach Faktenlage auch mit gutem Gewissen. Denn diese Fahrzeuge müssen ja seit September 2017 das RDE-Prüfverfahren (=Real Driving Emissions) durchlaufen, bevor sie für den Verkehr zugelassen werden. Die neue Gesetzgebung gilt für Neu-Homologationen von Pkw und Transportern, schwere Nutzfahrzeuge werden schon seit der Einführung der Euro 6-Abgasgrenzwerte (2014) im Realbetrieb geprüft.

Weil heute (fast) jeder über den Dieselmotor herziehen darf, haben kürzlich 25 führende Ingenieurwissenschaftler in einem Positionspapier Stellung bezogen. Die in der "Wissenschaftlichen Gesellschaft für Kraftfahrzeug- und Motorentechnik" zusammengeschlossenen Professoren mahnen eine Versachlichung der Diskussion an und belegen ihre Aussagen mit Studien und Forschungsergebnissen. Sie schätzen den Beitrag der modernsten Dieselfahrzeuge (nur die, welche die neue RDE-Norm erfüllen) zur gesamten NO2-Immission als nicht alarmierend ein. Allerdings wird es höchste Zeit, die Dieselmotoren entsprechend aufzurüsten. Und ausgerechnet die Messergebnisse des Umweltbundesamtes und der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz in Baden-Württemberg belegen, dass der Diesel nicht Hauptverursacher der Feinstaub-Problematik, sondern nur zu wenigen Prozent beteiligt ist.

Für die Zukunft verweisen die Wissenschaftler auf die Notwendigkeit, noch über Jahrzehnte auf Verbrennungsmaschinen und hier vor allem auf Dieselmotoren zu setzen. Sie fordern hier "einen Wettbewerb von Antriebskonzepten, um die Emissionen auf das Maß zu senken, das durch die angesaugte Luft vorgegeben wird." Allen Unkenrufen zum Trotz ist damit zu rechnen, dass noch im Jahr 2030 weltweit mehr Verbrennungsmotoren gebaut werden als heute. Deshalb ist eine intensive Forschung und Weiterentwicklung der Verbrenner mehr als angebracht. Auch wenn sich da und dort ein elektrischer Antrieb empfiehlt. Aber bitte kein Elektro-Hype, auch das sagen die Wissenschaftler: "Elektromobilität grundsätzlich als emissionsfrei zu bezeichnen ist fachlich falsch und eine grobe Irreführung."

Wolfgang Tschakert / mid

Der Artikel "Dieselgate: Neue Strategien für Handwerker und Transport-Profis" wurde in der Rubrik AKTUELLES mit dem Keywords "Auto, Nutzfahrzeuge, Emissionen, Diesel" von "Wolfgang Tschakert" am 24. November 2017 veröffentlicht.

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