Ladeinfrastruktur für E-Autos - Kein Anschluss im Mehrfamilienhaus

Der schnelle Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur soll den Absatz von E-Autos in Schwung bringen. Doch wer in einem Mehrfamilienhaus wohnt, würde auch dann noch weiter an fehlenden Steckdosen leiden.

Ohne sichere Lademöglichkeit sind Elektroautos einfach nicht ausreichend attraktiv. Am praktischsten wäre eine Stromtankstelle direkt am Wohnort, doch was für Hausbesitzer relativ einfach machbar ist, kann für Autofahrer, die in einer Wohnung leben, fast unmöglich sein. Vor allem dann, wenn es sich nicht um ein Mehrfamilienhaus im Einzelbesitz, sondern um eine Wohneigentümergemeinschaft handelt.

Mehr als neun Millionen solcher Wohnungen gibt es in Deutschland, zu ihnen gehören rund vier Millionen Pkw-Stellplätze. Und damit vier Millionen potenzielle Ladepunkte. Doch wer sein Auto in der Tiefgarage oder auf dem Gemeinschaftsparkplatz einstöpseln will, braucht viel Überzeugungskraft - und häufig noch mehr Geld. Denn außer unwilligen Miteigentümern macht auch die technische Umsetzung in vielen Fällen Probleme. Das treibt die Kosten hoch - und macht die Miteigentümer häufig noch unwilliger.

Doch ohne die Eigentümergemeinschaft geht es nicht. Sie muss ihre Zustimmung geben - und in der Regel auch für die mobilitätstechnische Aufrüstung der Immobilie zahlen. Unklar ist allerdings, ob alle Betroffenen die Pläne abnicken müssen, oder ob eine Dreiviertel-Mehrheit reicht. Ersteres wäre der Fall, wenn es sich rechtlich gesehen um eine ,,bauliche Maßnahme" handelte. Weniger Verbündete bräuchte man bei einer ,,Modernisierung". Als was die Installation einer Lademöglichkeit gewertet werden muss, ist aber aktuell oft gar nicht klar. ,,Selbst die Rechtsprechung und die Experten sind sich nicht einig, wie der Einbau einer Ladeinfrastruktur beschlossen werden muss", erläutert Martin Kaßler, Geschäftsführer des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter (DDIV). Ernster Widerstand Einzelner kann daher nicht kurzerhand von der Mehrheit ignoriert werden - denn im Extremfall ziehen diese einfach vor Gericht, was das ganze Projekt kippen könnte.

Dass es eine Opposition gegen Ladenanschlüsse gibt, ist durchaus nicht unwahrscheinlich. Denn es geht ums Geld: ,,Die erforderliche Kostenübernahme ist in vielen Fällen ein Streitpunkt, an dem die Zustimmung der Miteigentümer scheitert", weiß Kaßler aus Erfahrung. Alternativ zur Aufteilung der finanziellen Belastung unter allen Eigentümern ließen sich natürlich auch abweichende Beschlüsse zur Kostenübernahme finden - doch für einzelne oder selbst Gruppen wird eine Ladestation schnell sehr teuer.

Vor allem in älteren Gebäuden ist das Stromnetz nicht für das Laden von Elektroautos ausgelegt. ,,Wenn nur ein Elektrofahrzeug an das Stromnetz angeschlossen wird, geht das vielleicht noch gut", sagt Kaßler. Würden jedoch mehrere Fahrzeuge angeschlossen und über Stunden betankt, dann sei das Netz relativ schnell überlastet. Das gilt sowohl für die technisch anspruchsvolleren Wallbox-Ladestationen mit hoher Leistung als auch für das Laden über den simplen Schuko-Stecker. Sollen mehrere E-Autos gleichzeitig geladen werden, bliebe in vielen Fällen daher nur das Teilen der Anschlusskapazität unter mehreren E-Auto-Besitzern. Manuell - durch regelmäßiges Umparken und Neuverkabeln - wäre das allerdings extrem unpraktisch. Ein Ladelastmanagement-System könnte den Wechsel automatisieren, ist aber extrem teuer. ,,Bei einer alten Strominfrastruktur ist die Erneuerung des Netzes wohl ohnehin die nachhaltigere und bessere Wahl", rät Kaßler. Allerdings kostet auch diese viel Geld.

Generell sieht Kaßler die hohen Kosten als stärkstes Hemmnis für den Ausbau einer privaten Ladeinfrastruktur. Sein Verband fordert daher ein nationales Förderprogramm für die Installation einer Ladeinfrastruktur in Höhe von rund 100 Millionen Euro. So könne man Eigentümern und Mietern gleichermaßen die Skepsis vor der Anschaffung eines E-Autos nehmen. Bislang arbeitet die Politik jedoch in erster Linie an der Auflösung rechtlicher Hemmnisse - und auch das läuft eher schleppend. Immerhin hat die Europäische Kommission nun vorgeschlagen, bei Neubauten und umfassenden Sanierungen eine Vorverkabelung für Immobilien mit mehr als zehn Pkw-Stellplätzen zur Pflicht zu machen. Das würde die Errichtung von Ladestationen deutlich vereinfachen.

Bis sich bei Recht und Finanzierung etwas ändert, dürfte sich die Pkw-Flotte in WEG-Immobilien aber kaum im großen Stil elektrifizieren lassen. Befürchtet zumindest Kaßler. Und bedauert das ungenutzte Potenzial bei der Elektrifizierung des Landes.

Der Artikel "Ladeinfrastruktur für E-Autos - Kein Anschluss im Mehrfamilienhaus" wurde in der Rubrik NFZ & FUHRPARK mit dem Keywords "Ladeinfrastruktur für E-Autos" von "Holger Holzer/SP-X" am 11. September 2017 veröffentlicht.

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