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Die mid-Zeitreise: Haftung auch für letztes Glied bei Kettenauffahrunfall

Am 10. Januar 1977 berichtete der mid im 26. Jahrgang über die Haftung beim Kettenauffahrunfall


Unter bestimmten Witterungsverhältnissen muss der Kraftfahrer mit Glatteis rechnen und sein Fahrverhalten darauf einstellen, besonders seine Geschwindigkeit. Verursacht er einen Kettenauffahrunfall, kann er auch für den Schaden des letzten Gliedes der Kette haftbar sein.

In den frühen Morgenstunden um halb fünf überholte ein Pkw mehrere Lastzüge und einen Silozug auf der Autobahn. Danach kam er wegen Eisglätte ins Schleudern, drehte sich um seine Achse und blieb auf der Überholspur schräg entgegen der Fahrtrichtung stehen. Zwei Lastzügen gelang es, rechts über die Standspur an ihm vorbeizufahren. Der Silozugfahrer bremste und geriet mit dem Auflieger seines Tankzuges nach rechts. Der Zugwagen eines nachfolgenden Lastzuges fuhr auf den Tankauflieger auf, sein Fahrzeug wurde zertrümmert und beide Züge stellten sich quer zur Fahrbahn, wobei der Silozug auf den zuerst ins Schleudern geratenen Pkw geschoben wurde. In das Fahrzeugknäuel fuhr schließlich ein nachfolgender Pkw hinein und wurde unter den Lastzuganhänger gedrückt. Dieser Pkw-Fahrer und seine Beifahrerin wurden erheblich verletzt und verlangten Schadenersatz von dem Fahrer und Halter des zuerst ins Schleudern geratenen Pkw. Der Klage des zuletzt aufgefahrenen Pkw-Fahrers wurde zur Hälfte entsprochen, da auch er den Schaden schuldhaft mitverursacht hatte.

Der Fahrer des ersten Pkw, dessen Schleudern den Kettenauffahrunfall verursacht hatte, ist bei den herrschenden Witterungsverhältnissen zu schnell gefahren und hat sich auf eine zu erwartende plötzliche Glatteisbildung nicht eingestellt. Dieses Fehlverhalten war auch im Rechtssinne ursächlich für den Schaden des zuletzt aufgefahrenen Pkw-Fahrers. Dieser Ursachenzusammenhang war durch das Verhalten Dritter nicht unterbrochen. Die Verkehrserfahrung lehrt, dass durch solche Glatteisunfälle fehlerhafte Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer ausgelöst werden, die in der gefährlichen Situation die Lage falsch einschätzen oder in ihrer Aufmerksamkeit überfordert werden.

Dem ersten Pkw-Fahrer ist als Verschulden anzurechnen, dass er den aufgrund der Jahres- und Tageszeit sowie der Witterungsverhältnisse gebotenen Rückschluss auf die Glatteisgefahr nicht gezogen, seine Fahrgeschwindigkeit und sein Fahrverhalten nicht darauf eingestellt und die Folgen seines Verhaltens nicht vorausgesehen hat. Bei Glatteisgefahr kommt der Kraftfahrer nur dann seinen Pflichten nach, wenn er seine Geschwindigkeit so vermindert, dass er auch vereiste Stellen gefahrlos passieren kann (OLG Bamberg, Urt. V. 30.4.1974 - 5 U 185/73 -: VersR 1977, 38 - bestätigt durch Urt. d. BGH v. 6.4.1976 - VI ZR 165/74).

Bei Nebel und niedrigen Außentemperaturen hat der Kraftfahrer, der sich einer Brückenauffahrt nähert, seine Fahrgeschwindigkeit auf eine mögliche Glatteisbildung und hierauf zurückgehende Hindernisse auf der Fahrbahn einzurichten. Verursachen zwei Kraftfahrer infolge Außerachtlassung dieser Sorgfaltspflicht einen Auffahrunfall, so haben sie die Verantwortung hierfür grundsätzlich zu gleichen Teilen zu tragen (LG Heidelberg, Urt. V. 18.8.1975 - 3 0 44/75 -: VersR 1977, 47).

Der Artikel "Die mid-Zeitreise: Haftung auch für letztes Glied bei Kettenauffahrunfall" wurde in der Rubrik VERKEHR mit dem Keywords "Auto, Winter, Verkehr, Unfall, Recht, Historie" von "Jutta Bernhard" am 5. Januar 2017 veröffentlicht.

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