NEFZ

Kommentar: Begeht die Autoindustrie organisierte Verbrechen?

Es vergeht kaum mehr ein Tag, an dem nicht eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird. Die Sau: Die Treibstoffverbrauchsangaben der Automobilhersteller. Die Treiber: nichtstaatliche Organisationen aus dem Umweltbereich wie die Deutsche Umwelthilfe oder das International Council on Clean Transportation (ICCT) und deren Mitstreiter. Das Dorf: die Medien.

Mit in Sorgenfalten gelegter Stirn und Empörung in der Stimme spenden jedes Mal selbsternannte Fachleute lautstark Beifall, wenn wieder einmal vom ,,systematischen Ausnutzen der Schlupflöcher in der bestehenden Regelung" bei der Prüfung des Treibstoffverbrauchs von Pkw die Rede ist. Sie sprechen von ,,systematischem Betrug" oder lamentieren: "Die Autokonzerne tricksen immer dreister" , so als hätten wir es allesamt mit organisierten Verbrechern zu tun.

Aber wem gebührt dabei wirklich der schwarze Peter?

Zur Zeit wird der Treibstoffverbrauch auf einem Rollenprüfstand anhand des von der Politik bestimmten und seit den 1990er-Jahren gültigen ,,Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) ermittelt - mit einer Methode, die von den realistischen Fahrbedingungen im Alltag stark abweicht. Ab dem kommenden Jahr 2017 tritt daher die ,,Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Procedures" (WLTP) an die Stelle des NEFZ. Der soll nach dem Willen von Regierungen in aller Welt Abhilfe schaffen und die Differenz zwischen Laborbedingungen und realen Verbräuchen reduzieren.

Zum aktuellen Bericht des ICCT, der den Autobauern eine Abweichung der Verbrauchswerte nach oben um bis zu 42 Prozent vorwarf, erklärte der Verband der Automobilindustrie (VDA): ,,Die ICCT-Ergebnisse basieren nicht auf Messungen, sondern auf gesammelten Daten etwa von privaten Nutzern oder Fachmagazinen, und sind daher nur bedingt belastbar."

Zwei meiner besten Freunde gehören zu den schlechtesten Autofahrern, die ich kenne. Sie behandeln ihr Fahrzeug wie ein sizilianischer Bergbauer seine Esel: brutal und rücksichtslos. Sie fahren zwar sicher, pflegen aber auf Stadt- und Landstraßen die Motoren ihres Golf Plus beziehungsweise ihres Audi A4 in den unteren Gängen bis zum oberen Anschlag des Drehzahlmessers zu quälen, bis sie irgendwann vom dritten direkt in den sechsten Gang schalten. Der Verbrauch ihrer armen Autos liegt selten unter zehn Liter auf 100 Kilometer - fast doppelt so viel wie in den Werksangaben steht. Leider verhallen meine Ratschläge immer ungehört.

Ich selbst fahre einen Wagen, der laut Papierform einen Benzinverbrauch von durchschnittlich 5,0 l/100 km einhalten müsste. Der tatsächliche Verbrauch aber beträgt nur unwesentlich mehr. Warum? Weil ich bei mehreren Kursen gelernt habe, vernünftig mit dem Gaspedal umzugehen ohne als Verkehrshindernis unterwegs zu sein. Die individuelle Fahrweise hat nämlich einen erheblichen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch. Schon nach dem ersten Spritspartraining beträgt erfahrungsgemäß die Einsparung rund 25 Prozent.

Doch davon ist bei den Kritikern der Verbrauchsangaben nie etwas zu hören. Und auch die Medien schweigen sich aus. Schade. (ampnet/hrr)

Der Artikel "Kommentar: Begeht die Autoindustrie organisierte Verbrechen?" wurde in der Rubrik VERKEHR mit dem Keywords "NEFZ, Verbrauch" von "Hans-Robert Richarz /ampnet" am 18. November 2016 veröffentlicht.

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