Kommentar zum autonomen Auto: Der Mensch irrt, der Computer nicht

Ein von den Bedenkenträgern gegenüber dem autonomen Auto fast inflationär in die Diskussion gebrachtes Argument lautet: "Darf ein Computer, also dessen Programmierer, darüber entscheiden, welches Leben wertvoll und welches weniger wertvoll ist?" Stets geht es dabei um die Frage, ob es bei einem unvermeidbaren Unfall nicht angebrachter wäre die Software des Fahrzeugs so zu gestalten, dass eine Seniorenversammlung eher platt zu fahren wäre statt eine direkt daneben stehende Kindergartengruppe.

Das Thema hat Anfang dieser Woche im Fernsehen - weit weg vom automatisch handelnden Fahrzeug - auf einem ganz anderen Gebiet für heiße Auseinandersetzungen gesorgt. Im Film "Terror - Ihr Urteil" ging es um ein von Terroristen gekapertes Flugzeug der Lufthansa mit 164 Menschen an Bord im Anflug auf das mit 70 000 Zuschauern vollbesetzte Fußballstadion Allianz-Arena in München. Darf ein Soldat im Kampfjet die Lufthansa-Maschine abschießen um damit die Schlachtenbummler im Stadion vor dem sicheren Tod zu bewahren? Darüber sollten die Zuschauer entscheiden. 87 Prozent von ihnen beantworteten diese Frage mit ja und missachteten damit das Gesetz. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte vor genau zehn Jahren geurteilt, dass Menschenleben nicht gegen Menschenleben aufgerechnet werden dürften, auch nicht, wenn 162 gegen 70 000 stehen.

Zurück zum autonomen Auto. Auch hier darf und wird niemals ein Unterschied gemacht werden zwischen mehr oder weniger wertvollem Leben obwohl das gerne unterstellt wird. Erst am Dienstag sah sich Daimler genötigt, einer Story des amerikanischen Automobilmagazins ,,Car and Driver" zu widersprechen. Das Blatt hatte behauptet, die mit dem autonomen Auto befassten Ingenieure bei Daimler hätten längst die Entscheidung getroffen, dass im Fall des Falles dem Leben der Insassen eines automatisch fahrenden Mercedes größere Beachtung zu schenken wäre, als dem der anderen Straßenbenutzer. So wollten zumindest die Redakteure des Magazins den bei Mercedes für Fahrerassistenz-Systeme und Sicherheit verantwortlichen Manager Christoph von Hugo auf dem Pariser Salon verstanden haben.

Die Antwort aus Stuttgart ließ keine Missverständnisse zu: ,,Für Daimler steht fest," so hieß es, ,,dass weder Programmierern noch automatisierten Systemen eine Abwägung über Menschenleben zusteht. Der Fokus unserer Entwicklungsarbeit liegt darauf, Dilemma-Situationen gänzlich zu vermeiden, indem beispielsweise die Fahrzeuge auf eine entsprechend risikoarme Fahrstrategie ausgelegt werden. Keinesfalls haben wir bereits eine Entscheidung zu Gunsten der Fahrzeuginsassen getroffen, sondern halten weiterhin an dem Grundsatz der möglichst hohen Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer fest. Eine Entscheidung für einen Menschen und damit gegen einen anderen ist in Deutschland rechtlich nicht zulässig. Auch in anderen Ländern gibt es ähnliche Auffassungen."

Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen. Oder doch?

Statistisch erfasst und ohne Zweifel ist der Mensch im Straßenverkehr die Unfallursache Nummer Eins. Irren ist schließlich menschlich. 91 Prozent aller leichten, mittleren und schweren Crashs beruhen auf personenbezogenem Verhalten. Nur rund neun Prozent sind auf allgemeine Ursachen zurückzuführen, wie etwa schlechte Witterungs- und Straßenverhältnisse sowie Hindernisse auf der Fahrbahn. Das alleine reicht bereits als schlagendes Argument für die zukünftigen Vorteile des autonomen Autos und seinen Beitrag zur Verkehrssicherheit.

Und einen Punkt muss man auch ganz nüchtern und realistisch in Betracht ziehen: Wenn mit den Autos von heute ein Mensch am Steuer die Beherrschung über sein Fahrzeug verliert, hat er nicht die geringste Chance zu wählen, auf was oder wen er trifft. Ein Computer hingegen sollte vorausdenken und dafür sorgen, dass eine solche Situation gar nicht erst eintritt. Daran wird hart gearbeitet werden. (ampnet/hrr)

Der Artikel "Kommentar zum autonomen Auto: Der Mensch irrt, der Computer nicht" wurde in der Rubrik VERKEHR mit dem Keywords "Kommentar, Autonomes Fahren, Entscheidung des Computers, wertvolle Menschen" von "ampnet" am 19. Oktober 2016 veröffentlicht.

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